In den Nachkriegsjahren kamen die alten Volksbräuche wieder auf. Jede Ortschaft stellte zum 1. Mai einen Maibaum auf. Meistens war es die Dorfjugend, aber auch ältere Dorfbewohner beteiligten
sich.
Der Baum musste an bestimmten Tagen bewacht werden. Es waren die 3 ersten, der 15. und die 3 letzten Tage im Mai. Alle Vereine und Ortschaften sollten sich an diese Abmachungen halten. War der
Maibaum bewacht, durfte er nicht von anderen „geklaut“ werden. Ganz korrekt ging es nicht immer zu. Aber es machte Spaß, brachte aber auch Ärger mit den Nachbardörfern.
Einen „geklauten“ Baum durfte man neben dem schon stehenden Baum aufstellen. Es kam vor, dass in Ortschaften oft mehrere Bäume standen.
Verständlich war, dass die Jugend im Monat Mai viel unterwegs war, um ihren „Pflichten“ nachzukommen. Oftmals wurden sie von den Bewachern der Maibäume gestört. Der Fluchtweg wurde ihnen
abgeschnitten. Man musste durch Bäche, usw. Trockene Kleidung wurde angezogen, und es ging wieder los.
Einst zog die Obernauer Jugend los, um den Imhausener Baum zu klauen. Zum Pech der Obernauer fiel der abgeschnittene Baum in die Telefonleitung. Imhausen war ohne Telefon. Der Telefon-Bautrupp
aus Schladern musste am nächsten Tag den Schaden beheben. Karl Willmeroth, Führer des Bautrupps, konnte die Täter nicht ermitteln, obwohl es Obernauer Jugendliche in seinem Bautrupp waren, die
als Täter in Frage kamen.
Die Ortschaft Bach war auch auf dem Programm. Leider war der Baum bewacht. Der Bauer Ernst Krämer verteidigte den Baum mit „Peitschenknall“. Mit der List der Obernauer beschloss man dann,
gemeinsam den Hurster Baum zu holen. Auf der Anhöhe vor Hurst hielt man an, umstellte die kleine Anzahl der Bacher Jugend und erklärte ihnen, dass sie „Gefangene“ wären.
Ein Teil der Obernauer zog zurück nach Bach und sägte das „gute Stück“ ab. Die dunkle Nacht in Bach wurde plötzlich hell, ein herrliches Feuerwerk war zu sehen. Der Baum war in die Lichtleitung
gefallen.
Dieser Streich sollte Geld kosten. Am nächsten Tag musste der Elektriker, Karl Anselm, den Schaden beheben. Die Obernauer Jugend musste zahlen. Karl Anselm, der im Obernauer Gesangverein Mitglied
war, machte es aus diesem Grund nicht zu teuer.
Wie berichtet wurde, erstattete man Rosbach auch einen Besuch ab, Der Maibaum stand neben der alten Post, wo später die Apotheke war (jetzt Bürgeramt der Gemeinde Windeck). Es ging leichter als
in Bach, auch ohne Folgen. Bei Abfahrt eines Zuges sägte man den Baum ab. Ich glaube, es hat kein Rosbacher gemerkt. Über die Rathausstraße ging es ab nach Obernau.
Nach den erfolgreichen Beutezügen kam das böse Erwachen. Die Obernauer wurden von den Rothern besucht. Der Maibaum stand im Oberhof, zwischen Haus Lindenpütz und Kamp, am alten
Spritzenhaus.
Oberhalb von Obernau hatten die Rother zur Ablenkung ein Feuer gemacht. Als die Obernauer nachschauen gingen, schnitten die Rother den Obernauer Baum ab und entführten ihn nach Roth. Auf dem
Speicher von Fritz Klüser bekam er seinen Platz. Aber der „dicke Fritz“ mit seinen Leuten hielten sich nicht an die Gesetze. Anstatt ihn in die Erde zu setzen, ließen sie ihn auf dem Speicher, wo
er mit der Spitze aus der Dachluke ragte. Fritz sagte, an dem herausragenden Teil könnten die Affen turnen.
Der Ärger der Obernauer wuchs. Es wurde in aller Stille ein Plan geschmiedet. Als die Stunde „X“ gekommen war, machten sich die Obernauer auf, um den Baum wieder zurück zu holen. Die Rollen waren
verteilt. Jeder wusste, was er zu tun hatte, es durfte nichts schief gehen. In drei Gruppen aufgeteilt machten sich Willi und Walter Lenz, Paul Lindenpütz, Willi und Werner Rödder, Kurt Gerhards,
Hans und Karl-Heinz Hundhausen, Willi Klein, Ludwig Dahms und Herbert Stock an die Arbeit.
Willi Klein hielt am Schlafzimmer vom „Dicken Fritz“ Wache. Paul Lindenpütz, Kurt Gerhards und Walter Lenz stellten die Leiter in der Miste an die Hauswand. Nachdem Paul zu aufgeregt war,
kletterte schließlich Walter Lenz nach oben. Doch die Dachluke war von innen verschlossen. Mit einem Flacheisen konnte Walter schließlich den Krampen des Verschluss nach oben schieben und die
Luke öffnen. Dies gab natürlich viel Krach. Im Nachbarhaus Au ging das Licht an. Jetzt hieß es schnell handeln. Mit einem Seil wurde der Baum nach unten gelassen. Dabei wurde das Fallrohr der
Dachrinne beschädigt. Auch im Hause Klüser ging jetzt das Licht an. Doch die Obernauer waren schneller. Mit Baum und Leiter ging es ab nach Obernau.
Alwine und Emma Weber wollten den Baum nicht auf ihrem Speicher haben, deshalb wurde er dann auf dem Speicher von Willi Lenz gelagert und streng bewacht (man hatte mit dem Baum noch etwas Großes
vor.)
Vor dem „Lenzhaus“, auf dem jetzigen Grundstück von Adolf Sälzer, hatte Wilhelm Sälzer sein Bienenhaus stehen. Die Rother benutzten das Bienenhaus als Beobachtungsstand. Es hatte aber nichts
genutzt, der Maibaum blieb in Obernauer Hand.
Für den nächsten Streich wurde Geld gesammelt, bei den Obernauern und auch bei der Rosbacher Geschäftswelt. Man beschloss, die Blaskapelle Rudolf Weber, Rosbach (in Uniform) zu bestellen.
Der Maibaum wurde mit Musik durch Obernau getragen und am 28.05.1954 neben der Werkstatt von Klempner Wilhelm Rödder (Noah) wieder aufgestellt. Es war ein Volksfest. In der Spitze des Baumes war
das Ebenbild vom „dicken Fritz“ und vom „langen Henner“ zu sehen, in Form eines dicken Lumpenmannes.
Viel Geld wurde gespendet. Nun wurde aber richtig Wache geschoben. In den freien Stunden waren wir immer bei Bier und Schnaps in der Werkstatt von Wilhelm Rödder zu finden. Tagsüber mussten Frauen und Mädchen wachen.
Zur Tageswache wählte man Maria Breiter, Luise Lenz, Lina Thomas, Seefchen, Berta Engelberth und Martha Giebeler. Das hielt bis zur Versteigerung des Maibaums an.
Fritz Klüser versuchte wiederholt, den Baum nochmals zu klauen. Er hatte sich ein Spezialbeil geschmiedet und gehärtet. Damit wollte er Nägel und Bandeisen, die den Maibaum schützen sollten,
durchhauen. Er kam öfter mit dem Motorrad nach Obernau. Sein Fahrer war Peters (Toto) aus Gierzhagen.
Der Streit um die Kosten des von Blech-Emil reparierten Fallrohrs vom „Dicken Fritz“ ging bis zum Schiedsmann Karl Weber. Fritz wollte eine komplett neue Dachrinne bezahlt haben. Bezahlt wurden
schließlich nur 4 Meter Fallrohr zuzüglich der erforderlichen Schellen.
Nun beschloss die Dorfjugend folgendes:
Die älteren unter uns waren zum Teil 10 Jahre und länger durch den Krieg von der Heimat getrennt. Ich selbst war 10 Weihnachten hintereinander nicht zu Hause. Aber wir durften die Heimat wieder
sehen. Das kann nur ermessen, der dieses Leid mit erlebte. Viele Familien mussten um ihre Angehörigen trauern. Stellvertretend für die vielen nenne ich Familie Krämer. 5 Familienmitglieder
mussten sie für den Krieg opfern
Es sollte daher ein Mahnmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege errichtet werden.
Aus dem Maibaumverein wurde ein Ehrenmal-Verein.
Es wurde ein Vorstand gebildet.
Willi Lenz wurde unser Vorsitzender.
Seine mir noch bekannten Mitarbeiter waren:
Heinrich Heiden
Karl-Heinz Lenz
Fritz Kamp
Ewald Thomas
Walter Krämer
Adolf und Gustav Sälzer.
Willi Klein stellte kostenlos den Bauplatz zur Verfügung. Der Anfang war gemacht. Fritz Kamp übernahm den Fahrdienst. Adolf Sälzer war mit der Gestaltung bzw. Zeichnungen in Verbindung mit Willi
Lenz beschäftigt. Baumaterial wurde auch gespendet. Bei Familie Hohenbild wurden Steine für die Umrandung geholt. Alle anderen hatten auch Arbeit genug.
Kassierer (Beitrag und Neuaufnahme) wurde später Wilhelm Giebeler, der durch Heirat Oberanuer Bürger wurde. Nun hatten wir finanziell keine Not mehr. Die Mitgliederzahl wuchs durch seine Werbung.
Er machte das sehr gut.
Die Einweihung des Ehrenmales erfolgte in einem feierlichen Rahmen. Heinrich Heiden trug ein Gedicht vor. Die Feierlichkeiten wurden auf Tonband aufgenommen. Die beiden Tondokumente von der
Einweihung im Jahr 1960 können Sie sich am Ende des Textes anhören. Ein Pastor, der MGV Obernau sowie auch der Rosbacher Posaunenchor umrahmten die Feier. Den Kranz legte Willi Lenz nieder.
Jedes Jahr pilgern wir zu unserem Denkmal und gedenken derer, die auf der Gedenktafel sehen.
Zum Schluss sollten wir allen danken, deren Namen genannt wurden. Denn sie sind es, die Brauchtum in Obernau pflegten und den Bau des Ehrenmals ermöglichten.
Wir hoffen, dass wir unseren Nachkommen ein Stück Brauchtum aus dem Obernauerland hinterlassen konnte, und den Obernauer Bürgern, die noch nicht wissen sollten, wie unser Ehrenmal entstanden ist.